Ironie ist Schweben ist Ironie



Die Schulweltverbesserer

Gedanken und Beobachtungen des pädagogischen Nachwuchses

Samstag, 26. Januar 2008

Wir Untergeher!

Lasst uns nach unten gehen, und Licht ins Dunkel bringen:

»Ich liebe die, welche nicht zu leben wissen, es sei denn als Untergehende, denn es sind die Hinübergehenden.
Ich liebe die großen Verachtenden, weil sie die großen Verehrenden sind und Pfeile der Sehnsucht nach dem andern Ufer.
Ich liebe die, welche nicht erst hinter den Sternen einen Grund suchen, unterzugehen und Opfer zu sein: sondern die sich der Erde opfern, daß die Erde einst des Übermenschen werde.
Ich liebe den, welcher lebt, damit er erkenne, und welcher erkennen will, damit einst der Übermensch lebe. Und so will er seinen Untergang.
Ich liebe den, welcher arbeitet und erfindet, daß er dem Übermenschen das Haus baue und zu ihm Erde, Tier und Pflanze vorbereite: denn so will er seinen Untergang.
Ich liebe den, welcher seine Tugend liebt: denn Tugend ist Wille zum Untergang und ein Pfeil der Sehnsucht.
Ich liebe den, welcher nicht einen Tropfen Geist für sich zurückbehält, sondern ganz der Geist seiner Tugend sein will: so schreitet er als Geist über die Brücke.
Ich liebe den, welcher aus seiner Tugend seinen Hang und sein Verhängnis macht: so will er um seiner Tugend willen noch leben und nicht mehr leben.
Ich liebe den, welcher nicht zu viele Tugenden haben will. Eine Tugend ist mehr Tugend als zwei,
weil sie mehr Knoten ist, an den sich das Verhängnis hängt.
Ich liebe den, dessen Seele sich verschwendet, der nicht Dank haben will und nicht zurückgibt: denn er schenkt immer und will sich nicht bewahren.
Ich liebe den, welcher sich schämt, wenn der Würfel zu seinem Glücke fällt und der dann fragt: bin ich denn ein falscher Spieler? -denn er will zugrunde gehen.
Ich liebe den, welcher goldne Worte seinen Taten vorauswirft und immer noch mehr hält, als er verspricht: denn er will seinen Untergang.
Ich liebe den, welcher die Zukünftigen rechtfertigt und die Vergangenen erlöst: denn er will an den Gegenwärtigen zugrunde gehen.
Ich liebe den, welcher seinen Gott züchtigt, weil er seinen Gott liebt: denn er muß am Zorne seines Gottes zugrunde gehen.
Ich liebe den, dessen Seele tief ist auch in der Verwundung, und der an einem kleinen Erlebnisse zugrunde gehen kann: so geht er gerne über die Brücke.
Ich liebe den, dessen Seele übervoll ist, so daß er sich selber vergißt, und alle Dinge in ihm sind: so werden alle Dinge sein Untergang.
Ich liebe den, der freien Geistes und freien Herzens ist: so ist sein Kopf nur das Eingeweide seines Herzens, sein Herz aber treibt ihn zum Untergang.

[Nietzsche: Also sprach Zarathustra, S. 13f.)

4 Kommentare:

Die Schwebe hat gesagt…

Seit langem mal wieder im Zarathustra geblättert und zum ersten Mal die aufklärerische Intention verstanden: Untergehen wie die Sonne, die im Meer versinkt, um Licht in die Unterwelt zu bringen. So schöne Metaphern finden sich bei Nietzsche. Die Sprache voller Kraft und Elan, so wie Zarathustra, der nach seinen Einsiedel-Bildungsjahren unter die Menschen zurückkehrt und ihr Leben erleuchten möchte, um seinen Beitrag dazu zu leisten, dass der Mensch endlich Mensch wird und sein in ihm vorhandenes Potential entfaltet: so soll der Übermensch entstehen, der dann eigentlich nur der endlich verwirklichte Mensch ist. Ein radikal humanistisches Erziehungsideal & mit dem Traum der Verwirklichung des paradiesischen Reich Gottes Hier und Jetzt auf Erden!

ENJA hat gesagt…

Sind die Einsiedel-Bildungsjahre analog zum aus der Höhle-Klettern zu sehen...Was ist dann mit der Rückkehr unter die Menschen?
Und wie ist das dann mit Nietzsche-Platon/Sokrates?
Und da kommt die Frage, die mich schon sehr lang beschäftigt? Findet Nietzsche Sokrates, vielmehr die Sokratische Methode, tatsächlich so unausstehlich, wie er des Öfteren tut? In seinen Vorträgen zu den Bildungsanstalten scheint er doch sokratische Ziele anzustreben? Oder macht er das nur gegen die Preußische Schule?

Aber das ist eben auch Nietzsche: Man weiß es nie so recht...Er fängt ein, zieht den Leser mit...Irgendwann ist der wieder frei, stürzt sich in einen anderen Nietzsche und muss ihn tatsächlich als anders begreifen...Aber das ist toll...Bei Nietzsche glaubt man,. ihn selbst kämpfen zu sehen: Kämpfen mit dem Kopf, mit den Beobachten des eigenen Denkens, den Begriffen, der Welt und den Menschen...Hier gibt es kein System, in dem alles passend gemacht wird...Ist bei Nietzsche ein Bruch/ Widerspruch zu finden, so sollte das geschätzt werden...Denn das ist doch vielmehr die Welt...Was bei anderen zur Kritik führt, sollte geschätzt werden.

Anonym hat gesagt…

Ja, Nietzsche denkt und ihn und seinen fast schon literarischen Stil zu verfolgen, heißt einer Denkbewegung auf den Spuren zu sein. Einer Bewegung, die selber noch eine Suchende ist, die an ein Ziel glaubt, aber auch weiß, dass sie noch lange nach vorne Irren werden muss, um es zu erreichen. Also eher Odyssee als Höhlenrückkehr. Nietzsche ist zu klug, um sich auf eine Platon-Metaphorik einzulassenn& das Untergehen ist ja wahrlich mehrdeutig. Von Nietzsche lernen heißt Denken lernen?!

ENJA hat gesagt…

heißt vielleicht auch einfach:
dabei-zu-sein und dabei-zu-bleiben