Ironie ist Schweben ist Ironie



Die Schulweltverbesserer

Gedanken und Beobachtungen des pädagogischen Nachwuchses

Donnerstag, 12. März 2009

Sentimental?

Ich weiß es nicht, aber mich hat das in Winnenden schon ganz schön bewegt und tut es immer noch. Erfurt kommt hoch, aber besonders die Nähe zu meinem jetzigen Tun beunruhigt mich auch. Als ich gestern am späten Nachmittag nach Hause kam und davon erfuhr, breitet sich eine Mischung aus Sprachlosigkeit, Orientierungslosigkeit und Sorge aus. Ich fühle mich betroffen, aber in meiner Position als Lehrer auch in die Pflicht genommen, gerade als Philosoph. Ich grübelte den ganzen gestrigen Abend darüber nach, wie man in der Schule über das Geschehene sprechen könnte, ohne es zu zerreden, ohne es zu psychologisieren. Ich fand keine befriedigende Antwort. Ging mit einem unguten Gefühl zur Schule, nicht aus Angst vor solchen Vorfällen, sondern aus Unruhe über die innere Sprachlosigkeit, die ich so gerne überwinden wollte. - Was ich dann aber heute in der Schule erlebt habe, hat mich enttäuscht. Die Betroffenheit schien sich auf den Kreis einiger Referendare zu beschränken. Ansonsten war das Motto "schlafende Hunde weckt man nicht" ausgegeben worden. Eine Farce, meiner Meinung nach. Im Mitteilungsblatt stand der Hinweis, das Thema nicht im Unterricht anzusprechen, es sei den, es tauchten Fragen einzelner Schüler auf. Das war alles. Ob man das Maulkorb nennen darf, weiß ich nicht. Irgendwann gegen Mittag kam dann endlich noch die Trauerbeflaggung hinzu, die vom Innenminister gestern schon angeordnet war. Es gab schon öfter Trauerbeflaggung für verstorbene Politiker a.D. usw. - eher unbedeutende Ereignisse, nach denen man sich erst erkundigen musste. Die Flaggen waren dabei meist schon vor der ersten Stunde aufgezogen. Das ist Sache der Stadt.
Zumindest eine Schweigeminute hätte ich mir gewünscht. Vielleicht sogar eine kleine Andacht oder ähnliche kurze Gedenkveranstaltung zum Gedenken der Opfer, ihrer Familien und Freunde. Schließlich hat es auch drei Kollegen von uns getroffen, darunter eine Referendarin.
Mag sein, es hat viele Schüler überhaupt nicht mitgenommen, was dort passiert ist, schließlich sind wir dergleichen mittlerweile gewöhnt und sowieso verschwimmen Realität und Fiktion durch Filme und Computerspiele immer weiter. Mag sein, dass viele Schüler so abgestumpft sind, dass sie gar nicht realisieren, was passiert ist. Und eine Schule, die das, was passiert ist, nicht zum Thema macht, gibt ihnen ja auch recht, dass nichts wirklich wichtiges passiert ist.
Mit "zum Thema machen" meine ich nicht so zu tun, als hätten wir Antworten, wüssten wir als Lehrer Bescheid, warum das passierte, sondern damit meine ich, dass man ein Forum bietet zur Trauer, zum Gedenken, zum Realisieren, zum Nachdenken. Gerade weil wir und sicherlich auch viele Schüler besorgt sind und wissen, was im Sozialmilieu Schule passieren kann. Sicherlich ist das Ereignis in einigen Wochen wieder völlig vergessen, die Verdrängungsstrategie anscheinend berechtigt, aber böte es nicht die Chance, dass wir im Kollegium einmal gemeinsam darüber nachdenken, inwieweit unser alltägliches pädagogisches Handeln solchen Ereignissen entgegensteuern kann?

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